Wie 2016 aus mir einen Zyniker machte

Wer mich kennt, wird sicher schon mal mein nor­mal immer opti­mis­ti­sches Gemüt bemerkt haben. Man mag es naiv nen­nen, aber ich habe an sich immer an das Gute im Men­schen geglaubt und dass man immer eine recht zufrie­den­stel­len­de Lösung fin­den kann. Mein Inter­es­se an Welt­po­li­tik war eher gemä­ßigt und ich habe immer gedacht, die Men­schen in den gro­ßen west­li­chen Natio­nen soll­ten intel­li­gent und auf­ge­klärt genug sein, dass sie die Regie­run­gen wäh­len, die uns nicht wie­der in ein düs­te­res Zeit­al­ter navi­gie­ren und sich weh­ren, wenn mal doch die Men­schen­rech­te ein­schrän­ken­de Maß­nah­men geplant sind. Auch im Pri­va­ten leb­te ich in einer recht behü­te­ten Bla­se, in der es zwar auch mal Rück­schlä­ge gab, aber doch meist alles ziem­lich ruhig blieb. Mit 2016 änder­te sich aber alles.

An sich fing alles schlei­chend schon vor 2016 an. Nicht erst seit­dem ver­mehrt von extre­mis­ti­schen Isla­mis­ten initi­ier­te Ter­ror­an­schlä­ge in Euro­pa statt­fan­den wuchs in der Welt der Frem­den­hass wei­ter an. Bewe­gun­gen wie Pegi­da und ihre Nach­ah­mer fan­den schon vor­her vie­le Anhän­ger. Wäh­rend die­se 2016 zwar lang­sam glück­li­cher­wei­se wie­der abflach­ten, kam der Frem­den­hass aber in Form einer viel gefähr­li­che­ren und nur schein­bar demo­kra­ti­schen Par­tei namens AfD in Deutsch­land im gro­ßen Stil bei den Leu­ten an. Mit Erschre­cken muss­te man mit anse­hen, wie die Par­tei z.B. in Sach­sen-Anhalt bei der Land­tags­wahl aus dem Stand auf 24,3 % kam und damit die zweit stärks­te Kraft wur­de. Mit der Intel­li­genz der Men­schen muss ich mich wohl geirrt haben.

In Groß-Bri­tan­ni­en mach­te sich der­weil der Wunsch nach dem Aus­tritt aus der EU breit, bis die­ser durch ein Refe­ren­dum von fast 52 % der Wäh­ler durch­ge­setzt wur­de. Beson­ders bit­ter dar­an ist, dass sich die­se 52 % zum Groß­teil aus der von den Befür­wor­tern auf­ge­hetz­ten älte­ren Bevöl­ke­rung des Lan­des zusam­men­setzt, wäh­rend der jün­ge­re Teil haupt­säch­lich für einen Ver­bleib in der EU gestimmt hat­te. Die Jun­gen dür­fen aus­ba­den, was die älte­ren gewollt haben, des­sen Aus­wir­kun­gen aber gar sie nicht mehr wirk­lich zu spü­ren bekom­men werden.

Der Wahl­kampf in den USA nahm dann aller­dings gleich noch gro­tes­ke­re Züge an. Wäh­rend man die Kan­di­da­tur von Donald Trump erst noch für einen schlech­ten Scherz hielt und einen haus­ho­hen Sieg von Clin­ton als sicher ein­stuf­te, nach­dem Trump ent­ge­gen aller Ver­nunft sogar als Kan­di­dat der Repu­bli­ka­ner gewählt wur­de, soll­te der oran­ge­far­be­ne Perü­cken­stän­der den sati­ri­schen Blick in die Zukunft der Simpsons wahr machen: Er wur­de zum 45. Prä­si­den­ten der USA gewählt. Dass am Ende nur etwa ein Vier­tel aller wahl­be­rech­tig­ten US-Ame­ri­ka­ner (und damit weni­ger als für Hil­la­ry) über­haupt für ihn stimm­te und ein Groß­teil davon ver­mut­lich nur, weil sie Clin­ton für noch schlim­mer gehal­ten haben, zeigt wie sehr sich sein Land auf den ver­mut­lich ras­sis­tischs­ten, frau­en­feind­lichs­ten und kon­ser­va­tivs­ten Prä­si­den­ten seit Ewig­kei­ten freut.

Welt­po­li­tisch gese­hen war 2016 also schon mal abso­lu­ter Mist und macht nicht gera­de Mut auf die fol­gen­den Jah­re. Kurz­fris­tig bedenk­lich ist dar­an für uns in Deutsch­land vor allem, dass das sehr erfolg­rei­che rech­te Nach­rich­ten-Por­tal Breit­bart, das schon maß­geb­lich am Erfolg des Brexit und Trumps Wahl­sieg mit­be­tei­ligt war, nun auch in Deutsch­land berich­ten will. Die AfD reibt sich vor der Bun­des­tags­wahl schon mal die Hän­de. Nicht umsonst ist »post­fak­tisch« zum Wort des Jah­res 2016 gewählt wor­den. Immer­hin könn­te damit die Bild den Sta­tus als viel­leicht mani­pu­la­tivs­tes Schmier­blatt in Deutsch­land verlieren. 

Als sei die ja auch maß­geb­lich durch treu­doo­fe Wäh­ler aus­ge­lös­te poli­ti­sche Lage nicht schon bedenk­lich genug, schei­nen auch Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker und Quack­sal­ber bedroh­lich an Zulauf zu gewin­nen. Von Chem­trails über hoch­gif­ti­ge Wun­der­mit­tel bis hin zu Reichs­bür­ger­tum und Kon­zern-Regie­run­gen hat die­ses gefähr­li­che Gedan­ken­gut eine neue Blü­te­zeit. Das schlim­me dar­an ist, dass man als Mensch mit gesun­dem Men­schen­ver­stand sich kaum so viel mit den The­men beschäf­tigt, wie die Anhän­ger die­ser Theo­rien, so dass man natür­lich auch kaum gegen die Argu­men­te der­je­ni­gen ankom­men kann, um sie zu über­zeu­gen. Das wür­de ja aber auch kaum was nüt­zen, denn natür­lich sind alle Fak­ten aus den eta­blier­ten Medi­en ja eh alle gelo­gen, um uns dumm zu hal­ten und nur die »alter­na­ti­ven« Medi­en, die posi­tiv über den gan­zen Hum­bug berich­ten schrei­ben die Wahr­heit… Die­sen gan­zen Mist durf­ten wir net­ter­wei­se auch im eige­nen Freun­des­kreis miterleben.

Womit wir ja auch schon im pri­va­ten 2016 ange­kom­men wären. Sicher, es gab eini­ges schö­nes im ver­gan­ge­nen Jahr. Vor allem natür­lich die Ent­wick­lung unse­rer Toch­ter, die nun ja trotz dem Down Syn­drom geschul­de­ter Ver­zö­ge­rung in eini­gen Berei­chen gut zu Gleich­alt­ri­gen auf­ge­schlos­sen hat und in ande­ren tüch­tig übt. Natür­lich hilft auch die Tat­sa­che, dass wir an sich nie wirk­lich die Ableh­nung zu spü­ren bekom­men, von denen Eltern ande­rer Tri­so­mie-Kin­der berich­ten, son­dern im Gegen­teil alle immer nur so von unse­rer klei­nen Froh­na­tur begeis­tert sind. Das Ende des Jah­res hat­te aber so eini­ges zu bie­ten, auf das wir gern ver­zich­tet hätten.

Den Anfang mach­te ein meh­re­re Woche außer Gefecht gesetz­tes Auto, das immer wie­der neu wegen Fol­ge­pro­ble­men und im Nach­hin­ein als schlud­ri­ge Arbeit erkann­te Repa­ra­tu­ren in die Werk­statt muss­te und natür­lich grad in der Vor­weih­nachts­zeit qua­si nicht ein­satz­fä­hig war und uns zudem noch mit der Besei­ti­gung eines gro­ßen Ölflecks auf dem Hof zurück ließ, der dank der Wit­te­rung immer noch nicht völ­lig weg­zu­krie­gen ist. Dazu kam dann natür­lich just zu Hei­lig­abend eine die gan­ze Nacht über Gal­le kot­zen­de Toch­ter, die mei­ne dank einer Man­del­ent­zün­dung schon ange­schla­ge­ne Frau und mich durch­ge­hend wach hielt. Den Rest des Jah­res war auch immer min­des­tens einer von uns inklu­si­ve der ange­reis­ten Schwie­ger­el­tern mit Durch­fall oder ande­rem beschäf­tigt und an Fei­ern kaum zu den­ken. Am schlimms­ten traf mich aber ein Anruf mei­ner Eltern am ers­ten Weih­nachts­tag. Mein Opa war Hei­lig­abend spät abends gestor­ben. Er war 91 Jah­re alt gewor­den und hat­te zumin­dest nach dem Krieg ein doch schö­nes Leben, aber er war auch der bes­te Opa, den man sich wün­schen kann und eigent­lich nie ver­lie­ren will. Natür­lich gab uns das den Rest und wir konn­ten kaum noch erwar­ten, mit dem ver­ma­le­dei­ten Jahr end­lich abzuschließen.

Glück­li­cher­wei­se sind wir mitt­ler­wei­le alle wie­der eini­ger­ma­ßen gesund und das Auto hat nach Repa­ra­tur bei einer ande­ren Werk­statt auch erst mal kei­ne Macken mehr. Die welt­po­li­ti­sche Ent­wick­lung wird sich aber nicht zum Jah­res­be­ginn mal eben wie­der auf Son­nen­wet­ter umstel­len und man kann nur besorgt in die Zukunft schau­en. Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass am Ende des Jah­res 2017 der Unmut über 2016 als Klein­kram her­aus­stellt. Bis dahin darf man sich aber gern wei­ter auf­re­gen, immer­hin sind 2016 ja auch sehr vie­le Pro­mi­nen­te gestor­ben – und das ist ja für vie­le anschei­nend der Haupt­grund, das Jahr schei­ße zu fin­den. Die ungleich mehr Men­schen­le­ben, die sämt­li­che Krie­ge und Ter­ror­an­schlä­ge des Jah­res so auf dem Gewis­sen haben, sind natür­lich völ­lig egal – sind ja nur namen­lo­se Massen…

So, das muss­te alles mal raus. Die nächs­ten Tage geht es dann hof­fent­lich hier mit leich­te­rer Kost wei­ter. Über welt­po­li­ti­sches blog­gen kön­nen ande­re eh viel bes­ser als ich! Da will ich nur mal hof­fen, dass ihr ange­neh­mer ins neue Jahr gerutscht seid!


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